Paul Almasy

Paul Almasy (1906-2003)

Paul Almasy ist ein Zeitzeuge ersten Ranges - im ersten Buchtitel
‚Zaungast der Zeitgeschichte’ genannt. Das hat Almasy geärgert.
Alles - nur ein Gaffer sei er nicht! Wer als Zaungast ein Geschehen
verfolgt, greift selber nicht ein. Er bleibt diskret auf Abstand. Nicht
zu weit, aber auch nicht Teil des Ereignisses, das er sonst beeinflussen
würde. Robert Capas Verdikt, „Wenn dein Foto nicht gut ist, warst du
nicht nah genug dran“ - gültig für Generationen von Fotojournalisten -
versagt hier seinen Dienst. Mit Abstand sieht der Zaungast seine Epoche,
registriert aufmerksam, was geschieht. Und die Sprache ist genau: ein
Gast und kein ein Gaffer, der voyeurhaft herglotzt. Der Zaungast nimmt
Anteil.

Unser Zaungast blickt auf ein Leben zurück, das ihn in jedes Land der
Erde geführt hat - außer in die Mongolei: Er beginnt als Autor, wechselt
schnell vom Wort zum Bild - ein in der Frühzeit des Journalismus nicht
seltenes Phänomen. Paul Almasy hat sein Jahrhundert von 1906 bis 2003
durchlebt. Anfangs dokumentiert er Zeitgeschichte mit seiner Fotografie.
Später schreibt er damit Fotogeschichte. In seinen Reportagen verdichtet
sich Zeitgeschehen. Augenblicke sind zum Moment ‚gefroren’, in dem der
Betrachter den Atem einer Epoche zu spüren glaubt. Manchmal erzählt
eine einzige Geste Geschichte in geballter Form. Für solche Momente
mußte Almasy sich oftmals ‘unsichtbar’ machen. Gelang ihm das? Diskretion
war seine Tarnkappe. Der hochstilisierte ‚entscheidende Augenblick’ eines
Henry Cartier-Bresson war seine Sache nicht. Er suchte keine Dramaturgie,
und schon gar keine Mythenbildung, sondern schlicht Ehrlichkeit in der
Bildaussage.

Über sechs Jahrzehnte schuf der Fotograf, Journalist und studierte
Politologe unermüdlich für sein „Archiv der Welt“. Bald Inhaber zahlrei-
cher Fotopreise, Träger renommierter Orden, beruft man ihn im Alter als
Gastdozent an die Sorbonne. Sein Werk ist ein Kulturschatz allerersten
Ranges. Geordnet hat es der polyglotte Fotojournalist prosaisch nach Län-
dern und Themen. Das in seiner Schönheit einzigartige Material zeigt sich
seit Gründung von photonet im Jahr 1999 mit vielen Museums-Ausstellun-
gen zum 'Frühwerk' wie zum 'Hauptwerk' weltweit einer staunenden Öffent-
lichkeit.

Paul Almasy traf Persönlichkeiten, Mächtige wie Künstler. Wie er selbst
waren das Gestalter, Pioniere oder Zeugen ihrer Epoche. Er verkehrte in
der Boheme wie in der feinen Gesellschaft, deren Feste und Rituale er
festhielt. Mit Otto von Habsburg und Baron de Rothschild war er bekannt.
Präsident Eisenhower besuchte er genauso wie Begin, Chruschtschow, de
Gaulle, Evita Peron, Mussolini und später Mitterand oder Rezah Schah. Als
blutjunger Reporter begegnete er Hitler während eines Interviews mit
Rosenberg im Brauen Haus. Und immer wieder schrieb er für die Presse
Porträts exotischer Könige, Staatschefs und Despoten, mit deren Hilfe sich
die Welt ein Bild vom Zustand fremder Kulturen machte. Dabei mied er Prä-
tention. Die Fotografie, so sein Credo, solle informieren. Das allein tut sie
nicht: sie bezaubert.

Eitle Posen waren ihm, dem Grobetrotter mit Grandezza, zeitlebens verhaßt.
Verstellung fand vor Almasys Auge keine Gnade: Wer ihm partout gefallen
wollte, schied als Motivgeber schon aus. ‚Modelle’ suchte er nicht. Wegen
solcher ‚Prosa des Blickens’ ist der mit Einfühlung begabte Fotojournalist
ein seltener Glücksfall. Ob im Gewimmel der Großstädte oder den Urwäldern
Südamerikas - immerfort mochte dieser Ästhet wider Willen „normale“
Menschen sehen, und wissen, wie diese leben. Zwar teilte er deren Schicksal
nicht direkt, aber er nahm daran menschlich Anteil. Den Vorsatz zur Komposition
lehnt er strikt ab. Auch diese Eitelkeit ist ihm zuwider. Zuviel ‘Ästhetik’ war ihm
verpönt. Der Betrachter seiner Bilder kann sich der Schönheit seiner Motive nicht
entziehen. „Ich bin kein Fotograf“ hielt Almasy jedem Redakteur ungefragt
entgegen. „Sorry“, konterte einer einmal prompt, „aber wir finden ihre Fotos
schön“.

Die Palette des Almasy-Werkes ist überreich an Facetten. Reisernte in
Indonesien, Nomaden in der Sahara, Hebammen im Sudan, die Ghettos
von Rio, das Goethehaus als Ruine, eine Zulufrau am Bürgersteig - die
Liste der Motive ist schier unendlich. Nach groben Schätzungen sind es
120.000 Fotografien, die der Entdeckung harrten. Der Entdecker stieß
überall, wohin er sich wandte, auf Archivkartons mit Fotos aus aller Welt.
Er stöberte in einem Archiv, das an Bedeutung einzigartig ist. Daß dieses
Werk längst mit dem Nimbus ‚Kunst’ gekürt wird – den alten Herrn hat es
gefreut.

Heute steht Paul Almasy neben Eduard Boubat, Robert Doisneau, Marc Riboud,
David Seymour und all den anderen Lichtgestalten, mit denen er im Auftrag
der WHO - darin der Aufklärung durch Dokumentation ähnlich gewidmet, wie
das etwa die Farm Security Assoziation in den USA mit Walker Evans, Dorothea
Lange und Edward Weston tat - im Wettbewerb stand und in den Winkeln der
Welt zuhaus war, in seiner humanen Haltung einzigartig da. Da sprach sich
ein Soziologe mit der Kamera aus, dem die Noblesse des Solitärs wohl inne-
wohnt.

Ich habe nie gesucht. Es war immer der Zufall, der alles entschied. Meine
Kamera war der Sucher, ich nur der Finder. Und was ich fand,
das nahm ich.
Mit Almasy endet ein Säkulum. ‚Zeitzeuge des Jahrhunderts’ - auf ihn trifft die
Formel zu. Die Galerie würdigt dieses wichtigste Lebenswerk der Frühzeit der
Fotoreporage in der Galerie mit nicht weniger als 24 Ausstellungen als One-
Man-Show.

Als Reporter durch Frankreich

Bau der Hängebrücke in Tancarville, Frankreich (1958)

Gelatine Silber Print 2001

Auflage 10

30,5 x 40,5 cm (Blatt)

Verso Auflage + Datum + Signet

Provenienz Nachlass

Verkaufspreis 2.900 € (R)

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