Crumbs and Drops | Vom Eigensinn ungesehener Solitäre

Ein Kunsthändler rückt in seinem Leben meist eine Handvoll Künstler nur in den Fokus seiner Betrachtung, die er mit Aus-stellungen nach ihrer Autorenschaft zur Werkschau adeln will. Hierzu braucht er freilich etwas Fortune, damit er den Erstling zum Ensemble und selbiges zum Konvolut ausbauen kann. Weniger das Geld spielt dabei eine Rolle. Eher das Glück des Tüchtigen oder der Zufall muss ihm hold sein. Sein Vermögen wird so durch Fortuna, der Göttin des Glücks, nicht wenig gelenkt: Nicht selten dauert es zehn oder zwanzig Jahre, bis die volle „Reife" der Ausstellung für den Kunsthändler erst erlangt ist.

Nun kann es sein, dass der Kunsthändler, obwohl Dekaden am Markt, es ihm einfach nicht gelingt, über eins, zwei, drei Blatt hinaus seinen Favoriten zur Ausstellung reifen zu lassen. Dies ist bei aktueller Werkschau mit genau sechs Zuträgern bei gerade einmal 12 Blättern der Fall. Derlei Malaise ist so-mit ganz und besonders rar - und für einmal nicht ohne Reiz: Als Kurator dient dort der Zufall, der ihm die Abfolge und den Umfang seiner Hängung diktiert. Was soll unser Händler denn auch blind dem Gesetz der Serie folgen, wenn er seinen Favoriten als Solitär ohnehin besser 'artig' und ‘einzig‘ zeigen kann?

Die Urheber der Kunstwerke sind modern: Théophile Ballmer [1902-1965], Ilse Bing [1899-1998], Aenne Biermann [1898-1933], Hermann Claasen [1899-1987], Hannes Kilian [1909-1999] und sogar ein Piktoralist wie Hans Rudolphi [1880-1957] sind dabei. Diese Grundgänger bilden quasi - jeder mit ein paar Blatt - einen Grenzstein der Frühen Moderne ab. In der aktuellen Werkschau zeig(t)en wir mithin zwölf Juwelen der Fotografie 'einsam' für sich - und doch sondern diese sich nicht ab. Denn das Dutzend hängt dort, sichtbar vereint für jeden Besucher, und stellt sich aus. Die Zusammenschau der Solitäre hebt den Eigensinn der Werke - ihre Aura - so nicht auf.

Copyright Abbildung: Bassenge | Copyright Text: Klaus Kleinschmidt | Courtesy: Kleinschmidt Fine Photographs and the artist