Tiere schauen uns an. Warum tun Sie das? Sie schauen uns an, damit wir Menschen sie sehen. Tiere wollen, indem sie uns anschauen, dass wir ihren Blick erwidern. John Berger fragte sich einst in seinem berühmten Essay: Warum sehen wir Tiere an? Seine kurze Antwort lautet: Indem wir Tiere ansehen, erkennen wir uns selbst im Fremden. Tiere verbinden von jeher die Menschen mit ihrer Herkunft, ihrem Ursprung. Wie ein letzter wortloser Zeuge aus ferner Vorzeit in einer Welt, die nur dem ‚Sagen', nicht aber dem ‚Zeigen' traut.
Ein Tier zeigt uns stets an, wenn es in unsere Obhut will. Ist es hungrig, kratflos gar, oft versehrt oder sogar verletzt? So sucht es den Blick, den Kontakt zu uns, die Wärme. Tiere haben Gründe, warum sie in die Nähe des Menschen wollen. Dem Wetter und Wind, der Kälte und Sonne Tag und Nacht ausgesetzt, haben sie viel Hunger. Meist auch sind sie auf der Flucht. Immer suchen sie Futter, Raum, Ruhe, Schutz und Wärme. Natürlich verfügen sie über einen guten Instinkt, wer ihnen dabei helfen kann. Menschen haben dies alles in der Regel. Tiere der Wildnis fordern von uns Geduld. Sie sind scheu und stark. Und sie lieben den Menschen, der Sanftmut zeigt.
Die Geschichte des Dialogs zwischen Mensch und Tier ist unheilvoll für letztere. Die Historie zeigt: Der Mensch sieht im Tier zumeist nur sein „Recht", sich das Tier untertan zu machen. Von „Hegen" oder „Hüten" der Tiere, wovon das Bibelwort spricht, war bald keine Rede mehr. Gottes Wort wurde missachtet: Endet die Geschichte des Dialogs zwischen Mensch und Kreatur vor allem als Geschichte der Gewalt?
Stets geprägt von Unterjochung und Überwältigung und Unterwerfung: Wir schänden, schinden, schächten Tiere. Wir töten und wir essen sie. Wir brauchen sie als Lastträger, Nahrung, wegen ihrer Häute. Wir quälen sie - wie die Mäuse und Ratten im Labor. Und immer müssen sie für eine Instrumentalisierung herhalten. Sogar in purer Süße als Kuscheltier vegetiert der Teddybär. Noch im Comic ist das so. Walt Disney lässt im Kitsch grüßen. Auf Augenhöhe geht nicht.
Doch diese Donald Duck Story kommt an ihr Ende. Denn in naher Zukunft gibt es bald keine Tiere mehr. Der rohe Mensch hat längst seinen Ursprung vergessen. Einst lebte er friedlich mit den Tieren in der Welt. Das ist mit Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies perdu. Adam und Eva fahren heute SUV und halten drauf. Gleich der erste überlieferte Liebesroman und Hirtenroman von dem Griechen Longos zum Ende des 2. Jahrhunderts gilt mit Daphne und Cloé seitdem als Paradefall der Bukolik in der Spätantike und ist bislang unerreicht. Er gibt also Beispiel ab, was Tierliebe adelt.
Heute werden Tiere in bislang nie gekannter Achtlosigkeit und Gleichgültigkeit ignoriert. Von Eltern etwa, denen ihr Handy wichtiger ist als ihr Kind oder das Tier. 'Man' sieht so nicht. Somit gern gequält und gestalkt von den nervenden weil - siehe Handy - unbeachteten Plagen. Auch eifrig verjagt von Beamten, Bürokraten, Gärtnern, Polizisten, selbige pflichtgemäß ungerührt, die ihren Dienst zwar für das Gemeinwohl, nicht aber für das Tierwohl tun. Oder von Tierhassern verfolgt, zudem häufig mit Rachsucht, mitunter von allerlei Spießern, nicht selten gar gehetzt von deren Hunden, die von der sonst 50 Meter langen Leine sind, wie ihre oftmals arglos tuenden Frauchen oder Herrchen: Der tut nichts!
Die Tiere sprechen nicht. Sie klagen nicht. Sie bleiben zu alledem stumm. Das haben Werke wie Tiere gemein: Sie reden nicht, sie zeigen still. Aber sie zeigen sich uns Menschen, wie wir sie erkennen und ansehen sollen: frei. Warum achten wir sie nicht? Die Würde der Tiere ist offenbar trotz Artikel 20a GG jederzeit und ubiquitär antastbar. Am Umgang mit den Tieren wird unsere Epoche sich messen müssen. Und ja: es gibt Nutztiere, die haben zu tun. Dann gibt es Luxustiere, die haben es gut. Und da gibt es die Wildtiere, die sind wie Waschbär, Wildgans und Wolf zum Abschuss frei gegeben: Jagdwild ohne Lobby! Jäger indes stellen darob - sie schwimmen gern, meist und sooft mit dem Strom - nicht immer eine üble Lobby für sich. Dem Jäger im Bild warf man vor, er habe Wildvögel leiden lassen, was für sein zartes Gemüt zu viel war. Er beging Suizid: Es war üble Nachrede.
Achtung und der Respekt vor der Natur fehlen indes überall auf der Welt. Die Umwelt geht so vor die Hunde. Die Krone der Schöpfung gibt sich oft ätzend und armselig. Überall herrscht die große Ungerührtheit. Zum Teufel mit dieser Ungerührtheit. Woher rührt und vor allem wohin führt diese Brutalität in der Tierhaltung und jene Bestialität in der Zerstörung von Lebensraum. Wer führt Krieg gegen wen? Die Ausstellung zeigt uns letzte Idyllen, die wir fraglos im Auge haben, sowie das Scheitern im Dialog zwischen Mensch und Tier, das fraglich bleibt. Die Sichtweisen sind prominent und reichen von Paul Almasy über Roger Ballen bis hin zu Max Baur.
Text: Klaus Kleinschmidt