Tiere schauen Dich an! [Twin Show]
Eine Glosse in 20 Meisterwerken
Roger Ballen & Paul Almasy
Ab 11. April bis 16. Mai 2025
In einem Dialog werden zweierlei Bildsprachen
- die eine von Paul Almasy aus dem Lebenswerk
des berühmten Ungarn und Großmeisters der Foto-
reportage im 20. Jahrhundert, die andere von Ro-
ger Ballen aus dem stets bizarren Kammerspiel
seines Schaffens - zum Status und Topos der Tier-
heit in der Welt befragt und untersucht. Informa-
tion und Bericht versus Inszenierung und Magie. Die
Kluft kann kaum größer sein: "Gott ist die Seele
der Tiere" - nicht aber die der Menschen. Letztere
trieb er mit dem dem Sündenfall aus dem Paradies.
Wie anders die Tiere, die seit anhin im Garten Eden
weilen. Mit der Sintflut sann er sogar auf Erden da-
nach, alle Kreatur der Genesis in der Arche Noah zu
retten.
Die Tierheit erlebt den Menschen allemal als Jäger,
Hetzer, Stalker, Treiber. Meist ist jener unheilvoll
für die Tiere. In keiner Zeit je zuvor aber sind Men-
schen jemals derart leer in Grobheit, Ignoranz, Roh-
heit, Stumpfheit und Ungerührtheit verfallen. Das
Fehlen eigener Wahrnehmung, oft an das iPhone de-
legiert, stellt so jeden von Verantwortung frei. Tier-
quälerei heute braucht mithin längst keinen Grund
mehr.
Der Ortsbeirat Mitte gibt sich empört. Im Chor von
Grün und Rot bis Schwarz stimmt man den Jagdruf an
- mit der Lizenz zum Töten. Die Wildgans - Alopochen
aegyptiaca - sei Schuld! Das ist Quatsch. Die Stadt der
Quellen zieht natürlich Wasservögel an. Wiesbaden
sollte stolz auf seine Bewohner sein. Immerhin sind
diese Botschafter des obersten Sonnengottes Ra und
nehmen in der Mythologie Ägyptens eine zentrale
Rolle ein. Sie werden als heilig verehrt. Dreck machen
diese Tiere nicht. Ihr Kot dünkt auf natürliche Weise.
Auch Federn auf der Wiese während der Mauser der
Tiere stellen nicht wirklich ein Problem dar, sondern
sind ein ganz natürlicher Schmuck, den so mancher
sammelt. Man sollte im Beirat und Behörden besser
den schrillen Ton dämpfen und die Tonlage ändern.
Berge von Dreck sowie Fäkalien und Tonnen von Müll
lassen Tag für Tag bei den Events nur die Menschen
zurück. Deren 'Hinterlassenschaften' sind entweder
hochgiftig oder, wie nur bei Fleischfressern üblich,
infektiös.
Events hat Hessens Event-Metropole Wiesbaden
genug - bei etwa 20.000 im Jahr. Ein Großteil geht
auf das Konto der Triwicon GmbH als Eigenbetrieb
der Stadt. Keine Hebebühne ist hoch genug, kein
Schwerlastkran ist groß genug um immer größere
Giga-Events wie die unglaublich "nachhaltige" Eis-
bahn bei lauen 14 Grad Celsius Außentemperatur
zu frosten. Die Emissionen, die Wiesbaden seinen
genervten, um Ruhe bangenden Bürgern der Knete
wegen als Lärm zumutet, dabei noch die letzten
Geschäftsinhaber aus den Ladenlokalen der Innen-
stadt vertreibt, werden täglich immer doller. Und
da sollen also nun Gänse das Problem sein, das zum
Abschuss zwingt? Liebe Politiker: Gehts noch? Es
reicht. Warum wohl geht Umwelt überall vor die
Hunde?
Wenn es nicht gelingt, auf dem Planeten Erde mit
den immer stärker bedrohten Wildtieren - gerade
auch im urbanen Stadtraum - in Koexistenz friedlich
zusammen zu leben, wird die Spezies Mensch nicht
bestehen. Trotzdem schadet es nicht, den Diskurs
mit etwas Gelassenheit zu führen. Dabei hilft frei-
lich, die Schönheit und das ausgeprägte Sozialver-
halten dieser wunderbaren Tiere in der Schau zu
entdecken. Die massenhafte Keulung von Tieren,
nur weil sie unbequem sind, ist nicht erforderlich,
sondern vielmehr fraglich, insoweit da ein Verstoß
gegen das Tierschutzgesetz in Verbindung mit Artikel
20a GG, aber auch gegen das Jagdrecht im Stadt-
raum und gegen den Denkmalschutz vorliegen könn-
ten. Nun ist Recht nicht alles. Wir reden hier über
Lebewesen, 'Geschöpfe', die eben Teil der Schöpfung
sind. Oder dreht die Politik nun 'geordnet' auf den
Biozid'?
Die in Sachen Ausrottung, Vergrämung, Vertreibung
bis hin zur Vernichtung oftmals geübten Behörden -
in Kommune wie Land - geben tagein, tagaus perfide
traurig ein Beispiel davon. Selbst besonders bedroh-
te Arten der Roten Liste werden da bejagt und "artge-
recht" entsorgt. Allährlich um den 1. Mai herum muss
das Wildkaninchen dran glauben. Hintergrund: Man
mag den Stallgeruch von dem knabbernden Mümmel-
mann nicht zum mondänen Mai-Festspiel. Die Gärtner
machen kein Hehl, was zu tun ist. Hassrede zur Verga-
sung auf der Website im Internet der Behörde lässt
Ungutes ahnen. Die Tiere verenden elend im Bau. Ist
das Grünflächenamt zuständig? Andere Arten werden
als" Migranten" kurzer Hand und rassistisch der 'Inva-
sion' bezichtigt. 'Invasiv' ist dabei jeweils die Art, die
stört. Das dem Militärjargon entlehnte Wort ist in der
Wissenschaft höchst umstritten. Es suggeriert eine Tä-
ter-Opfer-Umkehrung. Mit Biologie hat das nichts zu
tun. Denn Wildtiere weichen stets dorthin aus, wo sie
[noch] Lebensraum finden. Derart manipuliert werden
Fakten verdreht, Kampagnen zur Vernichtung medial
lanciert, um den Vorwand zu schaffen, der opportun
ist.
Einer, der sich selbst gern als rational geriert, entlarvt
sich vielleicht als Rassist. So tritt ausgerechnet ein Bio-
lehrer vom Humboldt-Gymnasium als Jäger im Gewand
des Tierschützers auf. Der Mann aus Wiesbaden vertritt
mit Verve das Euthanasie-Projekt der Letalvergrämung.
Kotende Wildvögel sollten einfach abgeknallt oder halt
gegessen werden. Der Namenspatron der Lehranstalt,
Wegbereiter der Aufklärung und des Humanismus, wür-
de sich wohl entsetzt im Grab umdrehen. Oliver Wei-
rich berät eifrig die Jägerlobby und zudem die hessische
Landeshauptstadt, indem er sein Ressentiment als Wis-
senschaft ausübt. Damit flog er auf - und aus dem Ver-
band der Ornithologen. Unbeirrt halten Wiesbadens Be-
hörden an ihm seit 2018 fest. Wäre ein Mietmaul, das
zur Ordnung ruft, gar nützlich? Er ist Vogelschutzbeauf-
tragter des Landes Hessen im "Ehrenamt" und biedert
sich Behörde wie Jäger an. Über das Wohl der Schütz-
linge stellt er deren Wehe, tritt dabei radikal für deren
Tötung durch Abschuss ein. Hat er also, indem er das
Fernglas des Ornithologen gegen das Zielfernrohr des
Jägers umtauscht, weit über das Ziel hin geschossen,
Stadt und Land bei Wildtierpflege einen Bärendienst
erwiesen?
Die geschundende Kreatur ist Freiwild überall auf der
Welt. Also: auf, auf Ihr Beamte, Gärtner, Jäger, Spießer
- Täräh, Täräh, Täräh-Tätäh - Leine los zur fröhlichen
Treibjagd. Hetzt mit Euren fetten Hunden und den oft
nachstellenden Kindern das natürlich kotende Wildtier
noch in den letzten Meter und Winkel hinein, bis es dort
jählings leblos zusammenbricht. Was hat das denn auch
im Kurpark oder in der Reisinger Grünanlage oder am
Warmen Damm zu suchen? Die Tierwürde ist jeder-
zeit antastbar. Da genügt es, den Spaßbürger über das
Tierwohl zu stellen, sogar über das Leben der Gattung
Gans an sich. "Nur mein kleiner 'Scheißer' darf tun, was
immer er will." Ist das schon die Angemessenheit im
engeren Sinn? Gilt die Drittwirkung, also die Strahlkraft
von Art. 20a GG nur als Witz? Die Trumpisten jedenfalls
sind längst unter uns. Und die Grünen leider nicht mehr
grün. Hilft da nur Beten oder Demut und tiefe Einsicht
wie die einst des Thomas von Aquin? "Deus est anima
brutorum." Almasy zeigt in der Schau Elend und Würde
der Tiere, während Ballen die Mythologie und den Ur-
sprung der Bindung zwischen Mensch und Tierheit be-
äugt.